Sanfte Liebkosung oder Ajk´nax petel in Tseltal oder für
Spanischsprechende: Ligera ternura. Drei Sprachen sind der Titel dieses
Gedichtbandes und drei Personen mit drei jeweils durchaus verschiedenen Künsten
sind für seine Entstehung verantwortlich.
Als Autor zeichnet Armando Sánchez Gómez, ein, laut Vorwort
„Wander-Schriftsteller“, ein Tseltal aus Oxchuc. Er ist Mexikaner, im Grunde
aber Maya und damit ein Nachkomme jener Bewohner, die einst in Mittelamerika
eine Hochkultur aufgebaut hatten, die aber aus heute unbekannten Gründen kurz
vor der Ankunft der Spanier untergegangen war. Ganze Städte mit gigantischen
Steinpyramiden, Tempeln und Ballspielplätzen, sogar Oberservatorien, wurden vom
Dschungel überwachsen. Ein kleiner Teil davon wurde wieder entdeckt und für das
weltweite Interesse an diesen geheimnisvollen Kultstätten aufbereitet. Man kennt
zwar einige mathematische und astronomische Systeme der Mayas, von ihrer Schrift
sind aber nur wenige Zeichen entziffert.
Gómez ist Lyriker, mit inniger Beziehung zu Mutter Erde. Aus
Lesern werden bei ihm Begleiter, mit denen er die Berglandschaften von Chiapas
durchwandert und dabei die Einmaligkeit des irdischen Kosmos beschreibt. Teils
sind es nur ein paar Worte, aus denen Gedanken und Stimmungen strömen, wie im
Gedicht Silhouette, oder Tier und Pflanze eine Seele erhalten, wie die
Mangroven, die Salz trinken, oder der Herr Kolibri, der durch eine Welt
flattert, die noch immer von den Mayas bewohnt ist und die vielleicht auch
damals so ausgesehen haben könnte wie in diesem Gedicht.
Verfasst wurden diese literarischen Miniaturen in Tseltal,
einer Mayasprache. Sie stellen damit ein seltenes schriftliches Dokument einer
hauptsächlich nur gesprochenen Sprache dar. Als Fremder, als Europäer, gewinnt
man den Eindruck, dass diese Lyrik imstande ist, eine Brücke in die fernen
großen Zeiten dieses Volkes zu bauen, auf der durchaus Sprachwissenschaftler,
Archäologen oder Ethnologen dem Dichter Gómez in die Tiefen dieser versunkenen
Hochkultur folgen könnten.
Mit Zeichnungen illustriert wurde das Büchlein von Antún
Kojtom Lam, geboren 1969 in Ch´ixaltontik Tenejapa. Er weist den Weg zur dritten
Wurzel dieser dreifachen Poesie, die in Österreich, im Waldviertel verankert
ist.
Ingeborg Bär ist vor einigen Jahren mit ihrem Mann Peter,
einem Bildhauer, aus Tirol nach St. Leonhard am Hornerwald gezogen. In den
Wiesen rund um das kleine Bauernhaus wurde das Projekt Künstlergärten gestartet.
Einer der Schwerpunkte dabei waren die Verbindungen zu indigenen Künstlern aus
Mittelamerika, die eingeladen wurden, ihre Ideen von einem Künstlergarten in
diesem mit uralten Bäumen bestandenen Obstgarten zu verwirklichen. Einer von
ihnen war Antún Kojtom Lam. Er hat ein Beet mit dem Kopf eines Jaguars
gestaltet. Bei seinem Aufenthalt hat er wohl Ingeborg Bär auf die Gedichte von
Gómez aufmerksam gemacht.
Noch in Mexiko wurde das Buch aus Tseltal ins Spanische
übersetzt und von Ingeborg Bär schließlich ins Deutsche übertragen. Es gibt kaum
eine schwierigere Übersetzungsarbeit als die Lyrik, oder umgekehrt auch keine
schönere, da wie in diesem Fall die Übersetzerin zur Künstlerin wird. Es war ihr
Spüren, ihr Empfinden einer Sprache über das logische Verständnis weit hinaus.
Ingeborg Bär spricht zwar Spanisch, nicht aber Tseltal, und hat dennoch diese
Gedichte, diese einfachen wunderschönen Worte auch in der deutschen Sprache zum
klingen gebracht.
Erschienen ist das Buch 2008 (Gobierno Del Estado de Chiapas), in Österreich seit 2009 erhältlich.
ISBN: 978-970-697-254-5
http://www.baer-baer.at/projekt-kuenstlergaerten.htm
Bilder am Text und am Gedicht: Zeichnungen von Antún Kojtom Lam
Text verfasst von Hannes Gans, Wochenschau www.wochenschau.at
Nojk´etal
LE´ TA SIT NA YA XCHIKNA TE XOJOBIL K´A´AL
ya xtil ilel anojk´etal yu´un
te xch´in stsotsil abak´etal ya xlem
ya stsakbon jkot´an.
Silueta
EN LA VENTANA APARECE EL SOL LUMINOSO,
al reflejo emerge tu silueta
tus vellos mínimos brillan,
sacias mi mirada
Silhouette
AM FENSTER GEHT DIE STRAHLENDE SONNE AUF,
am Widerschein zeigt sich Deine Silhouette
Deine kleinsten Härchen schimmern,
Du stillst meinen Blick.