Zur Geschichte der Marquardkapelle

Mag. Raimund Schreier
Abt des Stiftes Wilten

Seit unserem Jubiläumsjahr "850 Jahre Prämonstratenser in Wilten" im Jahre 1988, in dem auch das Besinnungszentrum für verschiedenste Treffen und Einkehrtage eingerichtet wurde, kam immer häufiger die Idee eines Gebetsraumes bzw. einer Kapelle, in der man mit kleinen Gruppen und im Winter bei Zimmertemperatur Gottesdienste feiern kann. Auch der Hauskonvent, vor allem die Juniores, hatten den Wunsch, ab und zu nicht in der großen Stiftskirche, sondern eben im kleinen Kreis, dem modernen Gefühl entsprechend und in liturgisch offenen Formen Gott zu loben und ihm zu danken. So entschloss sich der Konvent, die alten Räume neben der Pforte zu entrümpeln und zu renovieren und in sakrale Räume umzuwandeln.

Der Raum gleich neben der Stiftskirche wird nun am 21. März 1998 als "Marquardkapelle" eingeweiht. Marquard, ein gebürtiger Schweizer, der in Wilten als selig verehrt wird, hat damals die Ordensspiritualität von Prémontré nach Wilten gebracht. Etwas vereinfachend könnte man die Prämonstratenser Spiritualität zusammenfassen in den beiden Worten "Kontemplation und Aktion". Einen Hauch vom Geist des Gebetes, der Meditation und eben der Kontemplation trägt dieser Raum mit seinen Steinmauern aus dem 12. Jhd. Seit mehr als 860 Jahren wird hinter diesen Mauern gebetet, wird Gott als die Mitte unseres Lebens mehrmals am Tag gelobt und gepriesen. Nur zweimal in der Geschichte ist diese heilige Tradition unterbrochen worden, nämlich während der Bayerischen Besetzung am Anfang des 19. Jhd. und während der Besatzung durch das Naziregime im 2. Weltkrieg. So dürfen wir unseren ersten Abt, den seligen Marquard, um seine fürbittende Begleitung bitten, damit auch in den nächsten Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden der feierlich gesungene Lobpreis hier nie verstumme. Die Mitte dieser Marquardkapelle bilden ab jetzt ein von Peter Bär hergestellter Altar und Ambo aus Höttinger Breccie, das Material der alten Säule, die diesen Raum trägt. Dieser Altar, in dem die Reliquie des seligen Marquard beigesetzt wird, soll das Zentrum sein für Suchende und um Gott Ringende, die in der Versammlung der heiligen Eucharistie Kraft holen werden für ihr Leben.

Der zweite unserer 54 heimgegangenen Äbte, der als Seliger in die Geschichte eingegangen ist, war Wernher, der nach dem verheerenden Brand 1299 die Abtei wieder aufgebaut hat. Er ist nun Patron des Raumes vor der Marquardkapelle, der die alten Mauern mit den Bachsteinen aus der Sill zeigt, die vielleicht bei diesem Brand erhalten geblieben sind. Hier können Menschen einander begegnen bei Agapen; hier wird es auch ab und zu in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis "Kunstraum Kirche" Ausstellungen vornehmlich moderner Kunst geben. Es freut mich sehr, dass in diesen uralten Gemäuern bei der ersten Ausstellung Steine gezeigt werden, Kunstwerke von Herrn Peter Bär, dem ich an dieser Stelle für seine gute Zusammenarbeit und vor allem für die Idee und die Schöpfung des neuen Altares und Ambos sehr danken möchte. Ich danke auch Herrn Architekten Rupert Meßner vom Büro Fessler und Herrn Hofrat Dr. Caramelle vom Bundesdenkmalamt, die mit den verschiedensten Firmen die älteste Bausubstanz unseres Stiftes wieder hervorgeholt und für unsere heutigen Zwecke wunderschön adaptiert haben. Großen Dank schulde ich auch dem Arbeitskreis "Kunstraum Kirche", insbesondere Herrn Univ.-Prof. Dr. Gerhard Larcher und Frau Elisabeth Larcher, die mich während der Bauphase bei verschiedenen Entscheidungen beraten haben. Posthum danke ich meinem Mitbruder, Herrn Prior Lambert Probst, dem der Umbau dieser Räumlichkeiten ein großes Anliegen war, der mich zu diesem Schritt sehr ermutigt und immer unterstützt und der mir noch kurz vor seinem Tod im Juli des vergangenen Jahres ans Herz gelegt hat, mich doch für den Altar von Herrn Peter Bär zu entscheiden.

Mein Dank ist fast zu früh aus der Feder geronnen; denn wir müssen noch kurz in den ehemaligen Keller hinuntersteigen, der allein schon in seiner Architektur mit seinen gotischen Bögen und wunderschönen Formen sehenswert ist. Wertvolle Ikonen von Herrn Univ.-Prof. DDr. Ekkhard Sauser werden diese Andachtsräume schmücken, die vor allem Theologiestudenten das Geheimnis der Ikonen nahe bringen und damit auch einen wichtigen Beitrag für die Ökumene leisten sollen, für das einander Näherkommen von katholischer und orthodoxer Kirche. Diese beiden Ikonenräume werden am 5. Fastensonntag dieses Jahres eröffnet.

So hoffe ich sehr, dass in diesen neuen Räumen viele geistliche Impulse gegeben werden; dass sie ein Ort sind, an dem Menschen der gehetzten und gestressten Welt von heute zu sich kommen können und Nahrung finden für ihre Psyche, ihre Seele und ihr Herz. Hier könnte "therapeutische Kirche" ein Stück Wirklichkeit werden.

Marquardkapelle Stift Wilten

Bibliografie

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