Den Steinen begegnen
Gustav Schörghofer SJ
Peter A. Bär ist Bildhauer. Was er aus dem Stein heraushaut, sind aber keine Bilder. Er hinterlässt Spuren im Stein. Er verwandelt den groben Brocken in eine Gestalt. Er arbeitet sich in den Stein hinein. Er müht sich ab mit dem Stein, und der Stein begegnet ihm in dieser Mühe. Es bleiben Steinmale zurück, einzelne Steine und aufeinander geschlichtete. Diese Male bezeugen: hier hat sich einer abgemüht um den Stein. Es hat Begegnungen gegeben.
Wer diesen Gebilden nahe kommen will, muss den Stein mit dem eigenen Körper erfahren. Die Einsichten der tastenden Hand; das Wissen des Körpers um Tragen, Stützen, Lehnen, Liegen; die Weisheit des Leibes, der Unterschiedliches zu einem Ganzem Ganzen eint: alles das ist nötig, um diesen Steinen zu begegnen. Den Steinen begegnen heißt, sich selber zu begegnen und einem anderen, der sich verbirgt. Der Stein bleibt als Zeuge dieser Begegnung. Er ruft sie in Erinnerung.
Am liebsten arbeitet Peter Bär mit Hammer und Meißel. Viele der Steine tragen die Spuren des Spitzeisens, kurze Linien und Punkte. Sie sind parallel nebeneinander gesetzt oder wie Strahlen auf eine Mitte hin gerichtet. Immer haben diese Meißelspuren eine Ordnung, die aber nicht immer klar zu erkennen ist. Manchmal überziehen sie die Oberfläche des Steins mit feiner Bewegung, als würde ein Windhauch über eben noch glatt gewesenes Wasser streichen. Manchmal ist der Stein auch glatt geschliffen, glatt wie ein Kiesel. Nie jedoch wird er poliert. Keiner der Steine trägt seine Schönheit offen, unverhüllt zur Schau.
Alle von Peter Bär behauenen Steine behalten etwas Zurückhaltendes. Die Arbeit mit dem Meißel und das Schleifen bringen nicht nur etwas zum Vorschein, sie verbergen auch etwas. Die Spuren des Spitzeisens liegen wie ein Schleier über dem Wachauer-, dem Krastaler-, dem Kramsacher Marmor, über Osttiroler Serpentin und Waldviertler Granit. Die Glätte des geschliffenen Serpentins umhüllt samtig, wie eine zarte Haut, den Steinkörper.
Die grobkörnige Höttinger Breccie und der unzugängliche Ötztaler Gneis sind auch unter den Steinen, denen Peter Bär bei seiner Arbeit begegnet. Die Breccie wurde zur Uferverbauung des Inns viel verwendet, der Gneis ist wegen seiner Widerstandskraft ein sehr guter Randstein. Als Baumaterialien sind Breccie und Gneis von Nutzen. Sie werden gebrochen, zugeschlagen, verwendet.
Peter Bär lässt sich auf eine Auseinandersetzung mit diesen rauen Außenseitern ein. Sie hat den Stein verwandelt. Die Mühe des Bildhauers hat Breccie und Gneis zu Gefährten des Menschen gemacht. Wie der Mensch dienend anderen begegnet, so tun auch sie nun einen Dienst: als Altar und Mal, als ein Gebilde, in dessen Mulde sich Wasser sammelt für durstige Vögel.