Dr. Andrés Fábregas Puig
Rektor der Universidad Intercultural de Chiapas
San Cristóbal de Las Casas, Mai 2006
Die Interkulturalität an der Südgrenze Mexikos / Texto en Español
(Kurzfassung)
Die vier Bundesstaaten Campeche, Chiapas, Quintana Roo und Tabasco bilden die Südgrenze Mexikos. Von diesen Bundesstaaten pflegt Chiapas, welches an Guatemala grenzt, den größten Kontakt zu Zentralamerika. Auf beiden Seiten der Grenze ist die Präsenz der originären Volksgruppen sehr gegenwärtig. Auf der Seite Guatemalas sind die Volksgruppen, die von den Mayas abstammen, beheimatet, während auf der Seite Chiapas die Nachkommen der Mayas das Territorium mit den Zoques teilen. Chiapas hat eine Einwohnerdichte von vier Millionen, davon gehören eineinhalb Millionen Menschen ethnischen Sprachgruppen der Entität an. Diese Gruppen sind: Tseltales, Tsotsiles, Tojolabales, Lacandones, Kakchiqueles, Jacaltecos, Mochós, Mames und Choles, die alle eine Variante der Sprache der Mayas sprechen; und die Zoques, welche der linguistischen Gruppe der Zoque-Mixe.Popoluca angehören.
Die Südgrenze Mexikos wird vom Rest des Landes noch immer nicht hinreichend erfasst. Wenn in Mexiko von „Grenze" gesprochen wird, dann bezieht sich dies auf den Norden, die Grenze zwischen der mexikanischen Republik und den Vereinigten Staaten von Amerika. Es gibt historische Gründe dafür, die diese Situation aufschließen, weshalb die Südgrenze Mexikos nicht vollständig wahrgenommen wird.
Mexiko ist ein Land, in dem die indigenen Volksgruppen bei der Gründung der Nation eine wesentliche Rolle spielten. Während der Jahre 1930 bis 2000 hat der Nationalstaat Mexiko eine „indigene Politik" angewandt, welche versuchte, die indigenen Völker zu einer mestizischen Identität zu assimilieren. Dies wurde vom Staat als einzige Möglichkeit gesehen, ein gemeinschaftliches Leben, gegenüber einem Nachbarn wie den Vereinigten Staaten von Amerika, zu gewährleisten. Es wurde eine assimilierende Integration angestrebt und man versuchte also, die kulturellen Charakteristika und die Sprachen der indigenen Volksgruppen aufzulösen. In dieser Phase sprach man vom „Prozess der kulturellen Anpassung", durch welchen eine neue mexikanische Identität hergestellt werden sollte.
Ab dem Jahre 1994 haben die Indigenen Volksgruppen dagegen protestiert und sie sind durch den bewaffneten Kampf des Ejército Zapatista de Liberación Nacional nicht nur im eigenen Land, sondern auf der ganzen Welt hinlänglich bekannt. Eine der Konsequenzen daraus war jene Anerkennung, die die mexikanischen Anthropologen vor vielen Jahren schon gefordert hatten: Die kulturelle Vielfalt Mexikos. Im Jahre 2000 wurde ein Prozess begonnen, welcher mit dem veralteten Instituto Nacional Indigenista brach und der assimilierenden Integration ein Ende setzte. Damit wurde in Mexiko die Diskussion über das Konzept der Interkulturalität initiiert.
An der Südgrenze Mexikos im Allgemeinen und in Chiapas im Speziellen hat diese Diskussion aufgrund des großen Anteils der Indigenen an der Gesamtbevölkerung ein besonderes Interesse hervorgerufen. Wir verstehen unter Interkulturalität den Bereich, welcher eine Relation des gegenseitigen Respekts zwischen den verschiedenen Kulturen schafft, die volle Anerkennung der kulturellen Vielfalt und das Recht jeder Kultur, sich zu entwickeln und zu bereichern. Die Interkulturalität soll bezüglich der Gesetzgebung ohne Hierarchien zwischen den verschiedenen Kulturen gedeihen. Die im Dezember 2004 neu gegründete Universidad Intercultural de Chiapas ist ein bedeutender Baustein, um die Integration eines Grenzstaates wie Chiapas zu erlangen. Man soll nicht Assimilation suchen ohne den interkulturellen Umkreis zu konsolidieren. Im Miteinander sollen nicht nur die Differenzen erkannt werden, ohne dabei die Manifestationen zu bestärken, die die kulturelle Vielfalt, inmitten des gemeinschaftlichen, politischen Übereinkommens, bereichern und die Mexiko zu einer Nation machten.
Übersetzung
Ingeborg Bär
St. Leonhard am Hornerwald
Mai 2006